Vom Drop I

 

Oder: Ist ein drop ein Fehler?

Der Begriff „drop“ meint beim Jonglieren das (unbeabsichtigte) Fallenlassen eines Jonglierobjekts.
Über den drop lässt sich auf jeden Fall trefflich philosophieren und forschen.
Häufig beschäftigt mich und viele andere die Frage:

Ist ein drop ein Fehler?

Die Definition eines Fehlers ist, laut Wikipedia:

Ein Fehler ist die Abweichung eines Zustands, Vorgangs oder Ergebnisses von einem Standard, den Regeln oder einem Ziel. Er wird auch definiert als ein „Merkmalswert, der die vorgegebenen Forderungen nicht erfüllt“ und als „Nichterfüllung einer Anforderung“; dabei wird die Anforderung definiert als „Erfordernis oder Erwartung, das oder die festgelegt, üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist“.

Ich möchte behaupten, das vorrangige, wenn auch nicht absolute Ziel beim Jonglieren ist es, die Bälle in der Luft zu halten und es ist in gewisser Weise auch die (An)forderung des Publikums an den Jongleur oder an die Jongleur*in.

Laut Wikipedia also durchaus ein Indiz, den drop als Fehler zu klassifizieren.

Ziehen wir noch den Duden zu Rat, dort wird die Bedeutungen des Begriffs Fehler wie folgt erklärt:

etwas, was falsch ist, vom Richtigen abweicht; Unrichtigkeit
irrtümliche Entscheidung, Maßnahme; Fehlgriff
schlechte Eigenschaft, Mangel
Dazu zählt der Duden jeweils noch einige Beispiele auf. Aus allem Aufgezählten finde ich erstmal zu wenig eindeutige Parallelen zum drop eines Jonglierenden.

Weiter gibt der Duden dann Synonyme für den Begriff „Fehler“ an. Unter den vielen gleichbedeutenden Wörtern, kommt für mich nur der Begriff „Versehen“ (etwas, was aus Unachtsamkeit falsch gemacht wurde), der Bedeutung eines drops am Nächsten.

Ein drop ist kein Fehler!

Den bisherigen Annahmen und Aussagen folgend, behaupte ich, ein drop ist erstmal kein Fehler. Auch wenn es ein Wesensmerkmal eines Jongleurs oder einer Jongleur*in ist, die Bälle in der Luft zu halten, assoziieren wir mit dem Jonglieren aber doch genauso das ständige Kämpfen mit der Schwerkraft und die Tatsache, dass eigentlich in jedem Moment etwas herunterfallen kann/wird. Es ist ja nicht so, dass das ab einem gewissen Moment stets problemlos klappt mit dem Jonglieren. Das Herunterfallen ist also in gewisser Weise genauso ein Wesensmerkmal des Jonglierens (und wird in einigen Jonglierdarbietungen sogar bewusst als Stilmittel eingesetzt).

Im Duden wird „Fehler“ mit „Versehen und Unachtsamkeit“ gleichgesetzt.

In diesem Fall wäre ein drop tatsächlich ein Fehler, wenn er aus Unachtsamkeit passiert.

Ein Versehen, oder eine Unachtsamkeit impliziert für mich aber meist auch, dass ein Schaden passiert. Wenn ich z.B. eine Person auf der Straße versehentlich anstoße, war ich im landläufigen Sinne unachtsam und entschuldige mich kurz. Oder ein Mitarbeiter macht einen Fehler in der Buchhaltung, was zu einem inkorrekten Ergebnis führt.

Wenn beim Jonglieren ein Ball herunterfällt, entsteht jedoch kein Schaden für einen Dritten, und eigentlich nicht mal für den Jonglierenden selbst. Denn ein Jongleur oder eine Jongleur*in kann einen drop nicht „ausbessern“, wie ein Fliesenleger eine kaputte Fliese.

Ich bleibe also erstmal dabei, ein drop ist genaugenommen kein Fehler.

Vielleicht sind viele drops ein Fehler.

Oder ein drop ist ein Misserfolg.

Oder mehrere drops sind ein Misserfolg.

Oder ist ein drop etwas ganz anderes?

Übrigens gibt es das Sprichwort: „Ein drop ist erlaubt“

Mehr dazu im nächsten Blogeintrag.

Zum Abschluss, eine Statistik, die ich im Rahmen eines Engagements über 22 Auftritte mit meiner Leuchjonglage im Winterträume-Varieté in Osterfeld im Dezember 2013 angelegt habe, damals habe ich den drop kurzerhand als menschlichen Fehler deklariert:

– Gesamtjonglierzeit auf der Bühne: ca. 150 Min. = 9000 Sek.
– Anzahl catches: viele…
– menschliche Fehler (drops): 5
– menschliche Fehler bezogen auf Auftrittszeit: ca. 5 Sek.
– technische Fehler (Defekte) Leuchtrequisiten während der Show: 0*
– Vorstellungen ohne Applaus: 0

* nur 1x nach der Show beim Laden. Stress- und Zeitaufwand für Reparatur kurz vor Weihnachten: ca. 5 Stunden

Text: Christoph Rummel, Mai 2021

Show, Inspiration & Experimente mit der Kunst der Jonglage

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Das Jonglieren ist mein Kosmos: Erlebniswelt, Bewegungsraum, Geistessphäre, Herzblut und Sinnbild. Als Jongleur und Bühnenkünstler möchte ich Kopf, Herz und Bauch der Menschen und Zuschauer:innen erreichen.

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